Dominik Hruza:
‚Walter Serner, 1889 in Karlsbad geboren, schrieb ‚Letzte Lockerung‘ 1918 als dadaistisches Manifest. Im April 1919 trug er Teile daraus auf der Dada-Soiree ‚Non plus ultra‘ in Zürich vor, was zu einem Aufruhr im Publikum führte. Im Mai desselben Jahres erschienen die ersten zwölf Absätze in der Anthologie ‚Dada No. 4-5‘, herausgegeben von Tristan Tzara. Ein Jahr später wurde der gesamte Text als Buch im Paul Steegemann Verlag veröffentlicht.
Der mittlerweile gemeinfreie Text wurde von mir als Basis für diesen experimentellen Comic verwendet, in dem ich stellenweise das Original, stellenweise freie Assoziationen dazu in eine speziell dafür vorbereitete Generative Bild KI-eingespeist und die so entstandenen Bilder montiert habe. Kapitel für Kapitel entstand so Serners dadaistische Welt in Bildern, um sie neuen Leser:innenkreisen zugänglich zu machen.‘
Aus Walter Serners LETZTE LOCKERUNG:
‚Um einen Feuerball rast eine Kotkugel, auf der Damenseidenstrümpfe verkauft und Gauguins geschätzt werden. Ein fürwahr überaus betrüblicher Aspekt, der aber immerhin ein wenig unterschiedlich ist: Seidenstrümpfe können begriffen werden, Gauguins nicht. (Bernheim als prestigieuser Biologe zu imaginieren.) Die tausend Kleingehirn-Rastas embêtantester Observanz, welche erigierten Bourgeois-Zeigefingern Feuilletonspalten servieren (o pastoses Gepinkel!), um Geldflüsse zu lockern, haben dieserhalb Verwahrlosungen angerichtet, die noch heute manche Dame zu kurz kommen lassen. (Man reflektiere drei Minuten über die Psychose schlecht behandelter Optik; klinisches Symptom, primär: Unterschätzung der Damenseidenstrümpfe; sekundär: Verdauungsbeschwerden.)‘
‚Mein erster Eindruck beim Wiederlesen des Buches, nunmehr nachdrücklich bebildert von Dominik Hruza, ist gleich dem ersten Eindruck beim ersten Lesen: Rock’n’Roll. Serner trifft allein schon durch Wortwahl und syntaktischen Drive jeden Rezeptor für Provokationen: ‚Diagnose: rabiate Langeweile ( ) Langeweile: nur als harmlosestes Wort. Jeder suche sich die ihm schmackhafteste Vokabel für seine Minderwertigkeit!‘
In der Tat könnte man meinen, nicht nur der Erste Ganz Große Krieg, nein, auch die heutige Gewalt in Tat und Kultur seien die Folge der Langeweile immer weiter wirtschaftlich abgesicherter Menschen, die jedes Elend aus großer Distanz zu betrachten sich leisten können. Serner nennt sie Rastas, etwas wie Hochstapler. Gegen sie, die ein Wiener Aktionist ein halbes Jahrhundert später ‚Wichtel‘ nannte, richtet sich das Buch vornehmlich.‘
aus:
‚Ja, nein, vielleicht
Unlockeres Nachwort zu Serners Letzte Lockerung und Hruzas Illustrationssimulationen‘ von Thomas Raab
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